Heute vor 115 Jahren hielt Paul Ehrlich seine Rede zum Dioxydiamino-Arsenobenzol in der Behandlung der Syphilis. Eingesetzt wurde das neue Medikament schon am 19., also 5 Tage zuvor, aber Deutschland ist halt nun mal Deutschland, und deshalb dauerte es fünf Tage bis das Königlich Preußische Institut für Experimentaltherapie in Frankfurt die Erlaubnis hatte, Stühle im Foyer aufzustellen, um den Erfolg öffentlich zu machen.

Paul Ehrlich und Hata Sahachirō

Besser bekannt unter seinem ersten Markennamen, Salvarsan, war es das erste Chemotherapeutikum auf dem Markt. Denn auch wenn wir den Begriff heute hauptsächlich für Medikamente verwenden, die Krebszellen angreifen, ist er doch ein übergreifender Ausdruck für alle Präparate, die selektiv zytotoxisch, also gegen bestimmte Zellen, wirken. Der Begriff selbst kommt von Paul Ehrlich, der ihn 1906 prägte.

Entwickelt wurde Salvarsan in der engen Zusammenarbeit zwischen Ehrlich, Hata Sahachirō, und Alfred Bertheim während einer Großstudie zur Nutzung von Arsen in der Therapie. Versuch Nummer 606 (Ehrlich-Hata 606) zeigte vielversprechende Eigenschaften und wurde am 19. April 1910 von Heinrich Loeb im Städtischen Krankenhaus Mannheim zum ersten Mal eingesetzt.

Der Patient war ein 22 jähriger Soldat mit Syphilis. Obwohl er schwer an den Nebeneffekten des Arsens litt, war der Einsatz jedoch erst einmal erfolgreich. Damit konnten Ehrlich und Hata weitere Gelder von den Farbwerken Hoechst erfragen und erhalten. Um 1912 wurde Salvarsan dann zum Standard-Chemotherapeutikum bei der Frühsyphilis, bei späteren Stadien half weiterhin nur Quecksilber, und das auch nich so gut.

Zwischen 1910 und 1914 mit dem Ausbruch des Krieges, kämpfte Ehrlich einen endlosen Kampf gegen die Proponenten der unbehandelten Syphilis. Die Krankheit wurde nämlich weniger als behandelbare Infektion und mehr als die gerechte Strafe Gottes für gottloses Verhalten gesehen.

Erst mit dem Krieg, in dem dank “Erholungshäusern” die Krankheit erst zwischen Soldaten und dann der Bevölkerung weiter expandierte, wurde Salvarsan zu einem akzeptierten Heilmittel, welches ab 1915 in allen Feldmedizin-Taschen verfügbar war. Bis dahin (und auch bis 1928) waren es Kalium Permanganat, das man (erfolglos) versuchte beim Verkehr zur Desinfektion, einzusetzen.

Die erste Erwähnung der Syphilis in der Medizinforschung ist übrigens von 1773. Der 35-jährige Sebastian Reichard starb in diesem Jahr in einem Militärspital nahe München und erweckte die Neugierde eines jungen Arztes, der einen Kupferstich von des “kariös veränderten” Schädelknochens in seiner Dissertation veröffentlichte. Der Arzt, Ignatius Finster, war es auch, der die wellenartigen Stadien der Syphilis zum ersten Mal dokumentierte.

Preisliste für Beischlaf, 1917, LodzMerkblatt zur Verhütung von Geschlechtskrankheiten, Lodz 1916Salvarsan und eine der ersten "modernen" Spritzen, Medizinalmuseum Ingolstadt

Ab etwa 1933, mit der Einführung des Penizillin, wurde Salvarsan immer weniger eingesetzt. Es bleibt aber als das erste Therapeutikum mit zellselektiver Wirkung ein wichtiger Schritt in der modernen Medizin.

Hata wurde zweimal für den Nobelpreis vorgeschlagen, erhielt ihn aber (auch wegen der anrüchigen Natur der Syphilis) nie. Ehrlich ebenfalls, er hatte aber schon 1908 den Nobelpreis für seine Forschung zu Infektionskrankheiten erhalten.